Geografie & Einwohner
Die ukrainische Stadt Czernowitz liegt im Südwesten der Ukraine in Grenznähe zum Nachbarland Rumänien. Die Großstadt hat eine Bevölkerung von 265.471 Einwohnern (2021). Das Stadtgebiet umfasst eine Fläche von 153 km² und erstreckt sich zum größten Teil am rechten Ufer des Fluss Pruth. Die Stadt liegt auf 248 m Seehöhe in einer ländlichen, von Hügeln geprägten Landschaft mit weiten landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wäldern.
Die Wirtschaft der Universitätsstadt ist hauptsächlich auf landwirtschaftliche Erzeugnisse ausgerichtet und wird von Unternehmen aus der Nahrungsmittel-, Textil- und Holzindustrie bestimmt. Mit seiner verkehrsgünstigen und grenznahen Lage ist Czernowitz ein wichtiger Verkehrsknoten in der Ukraine, über den der größte Teil des Waren- und Personentransports in das Nachbarland Rumänien verläuft.
Das Stadtgebiet von Czernowitz umfasst mehrere Stadtbezirke, wobei sich die Bezirke Rajon Perschotrawnewyj und Rajon Schewtschenko auf dem rechten Flussufer befinden. Auf dem gegenüber liegenden, linken Ufer befindet sich der historische, ehemalige jüdische Stadtteil Sadhora. Im Jahr 2020 wurde die Stadt zum Zentrum der neu gegründeten Stadtgemeinde Tscherniwzi (Rajons Tscherniwzi) ernannt. Zu dieser Gemeinde gehören neben Czernowitz auch die Dörfer Korowia und Czernawka.
Sichere Großstadt im Südwesten der Ukraine
Czernowitz ist bis heute eine der wenigen ukrainischen Großstädte, die seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 noch nicht von russischen Truppen angegriffen wurde. Im Zuge des Krieges ist die Stadt zu einem sicheren Zufluchtsort für ukrainische Flüchtlinge aus den umkämpften Regionen in anderen Teilen der Ukraine geworden. Zeitweise beherbergte die Stadt zusätzlich bis zu 100.000 Flüchtlinge. Für diese Menschen auf der Flucht ist insbesondere die Nähe der Grenze zu Rumänien, wie auch die gute Anbindung an internationale Verkehrswege wichtig.
Durch die Stadt führt die internationale Europastraße 85 von Klaipėda in Litauen nach Alexandroupoli in Griechenland. Weitere wichtige Verbindungen führen in Richtung Iwano-Frankiwsk–Lemberg, Chmelnyzkyj und Wyschnyzja in den Karpaten. Zudem ist die Stadt an die internationale Eisenverbindung von Lemberg bzw. Kiew nach Suceava–Bukarest angebunden. Im Südosten der Stadt liegt der Internationale Flughafen Czernowitz. Fernbusse verkehren ab dem zentralen Busbahnhof im Süden der Stadt.
Stadtentwicklung von Czernowitz
Für Czernowitz sind im Jahr 1895 bereits 54.000 Einwohner überliefert. Die Stadt verfügte zu dieser Zeit schon über eine griechisch-orientalische Domkirche (vollendet 1864), eine armenisch-katholische Kirche (1875), eine Jesuitenkirche, den Israelitischen Tempel Czernowitz sowie eine griechisch-orientalische, erzbischöfliche Residenz auf dem damaligen Stadtgebiet. Im Jahr 1905 eröffnete das berühmte Stadttheater von Czernowitz (heute: Olha-Kobylianski-Theater).
Zum Ende des 19. Jahrhunderts verfügte Czernowitz laut offiziellen Dokumenten über eine Bierbrauerei, zwei Dampfmühlen, eine Sägemühle, eine Ölfabrik und eine Maschinenfabrik. Ebenso wurde für die damalige Zeit schon ein intensiver Austausch von Waren, insbesondere nach Russland und Rumänien, festgehalten. Als Schulen wurden in der Stadt ein Obergymnasium, eine Oberrealschule, eine Staatsgewerbeschule, eine Bildungsanstalt für Lehrer- & Lehrerinnen sowie eine landwirtschaftliche Lehranstalt registriert. Im kulturellen Bereich werden das Stadttheater und das Landesmuseum angeführt. Im Jahr 1897 städtisches Transportmittel die Straßenbahn Czernowitz eröffnet, deren Betrieb erst im Jahr 1967 eingestellt wurde.
Czernowitz regionale Hauptstadt & Verwaltungssitz
Für das Jahr 1925 werden für die Stadt Czernowitz bereits um die 90.000 Einwohner auf einem Stadtgebiet von 52 km² angegeben. Die Bevölkerung setzte sich damals zu 40% aus Juden und je 20% aus Deutschen, Rumänen und Ukrainern zusammen. Czernowitz war zu dieser Zeit Hauptstadt der gleichnamigen Region und Sitz zahlreicher Behörden, darunter auch eine Eisenbahndirektion. Die Wirtschaft umfasste zu dieser Zeit neben Mühlen, Brauereien und Spiritusfabriken, auch Unternehmen der Lederwarenindustrie. Für den Großraum Czernowitz wurde im Jahr 1930 sogar eine Bevölkerungszahl von rund 112.000 Einwohner ermittelt.
Kultur & Bevölkerung
Czernowitz hat eine große kulturelle, insbesondere aber auch eine außerordentliche kunsthistorische Tradition und ist weltweit für seine Literatur, Malerei und Architektur bekannt. Zahlreiche weltbekannte Künstler sind in der Stadt geboren oder aufgewachsen. Zu den berühmtesten Namen der Stadt zählen unter anderem die Schriftsteller und Dichter Paul Celan, Rose Ausländer, Selma Meerbaum-Eisinger, Klara Blum, Alfred Margul-Sperber, Ludwig Adolf Staufe-Simiginowicz, Immanuel Weissglas, Gregor von Rezzori, Aharon Appelfeld, der Komponist Ludwig Rottenberg oder der Opernsänger Joseph Schmidt. Mit Olha Kobyljanska lebte in Czernowitz ebenso eine der einflussreichsten ukrainischen Schriftstellerinnen.
Das städtische Leben in Czernowitz wurde in der Vergangenheit maßgeblich durch die kulturelle Tradition der jüdischen Bevölkerung geprägt. Vom Ende des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich ein Großteil der ostjüdischen Bevölkerung aus Galizien kommend in der Bukowina angesiedelt. In der Stadt entstand eine multikulturelle Stadtbevölkerung, die sich aus Ukrainer / Ruthenen, Rumänen / Moldauer, Polen, Juden, Roma, Österreicher und Bukowinadeutsche zusammen setzte. Ihre Blütezeit erlebte die Stadt während ihrer Zugehörigkeit zu Österreich-Ungarn als Hauptstadt des Kronlandes Bukowina.
Das jüdische Kulturleben im 19. Jahrhundert
Mit dem Zuzug der Juden in dieser Zeit lebte auch das jiddische Kulturleben in Czernowitz auf. Im Jahr 1880 waren um die 30% der Einwohner von Czernowitz jüdischen Glaubens. Die jüdische Gemeinschaft verwendete in der Folgezeit immer häufiger die deutsche Sprache. Auch in anderen Teilen der Bukowina, bildete sich eine spezifische, deutschsprachige Kultur heraus, die insbesondere in den Städten verbreitet war.
Begünstigt durch seine Stellung als Amtssprache, bildete sich in Czernowitz im 19. Jahrhundert Deutsch als allgemeine Umgangssprache heraus. Um 1900 sprach der Großteil der Stadtbewohner Deutsch als Muttersprache. Weitere in der Stadt gesprochen Sprachen waren Rumänisch, Ukrainisch und Polnisch. Als Czernowitz nach dem Ersten Weltkrieg an Rumänien fiel, verlor Deutsch seinen offiziellen und privilegierten Status.
Durch die Ermordung der Juden während dem Zweiten Weltkrieg und die Umsiedlung und Vertreibung ganzer Volksgruppen, vor allem der Deutschen und der Rumänen, ging die multikulturelle Tradition der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend verloren. Ukrainer stellten nun die mit weitem Abstand größte Bevölkerungsgruppe der Stadt dar. Viele Juden, die den Holocaust überlebt hatten, emigrierten in der Folgezeit.
Bis heute finden sich in der Stadt noch zahlreiche Spuren der jüdischen Gemeinde, z.B. ein großer, im Jahr 1866 errichteter Jüdischer Friedhof. Einige in der Vergangenheit als Sakralbauten errichtete Gebäude werden heute für andere Zwecke umgenutzt. In den Resten der ehemaligen Synagoge sind heute zum Beispieln ein Kino untergebracht.
Sehenswürdigkeiten der Stadt
Die Stadt Czernowitz hat aufgrund ihrer bewegten Stadtgeschichte und multi-kulturellen Tradition eine Vielzahl an Sehenswürdigkeiten, die bis heute erhalten sind. Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt die ehemalige Residenz des orthodoxen Metropoliten der Bukowina. Das imposante Bauwerk wurde im Jahr 1882 fertiggestellt. Seit sowjetischer Zeit ist in dem Gebäude die Nationale Jurij-Fedkowytsch-Universität untergebracht. Seit dem Jahr 2011 gehört der Gebäudekomplex zur Liste des Weltkulturerbes der UNESCO.
Das bekannte Olha-Kobyljanska-Stadttheater ist seit 1805 zentraler Bestandteil des kulturellen Leben von Czernowitz. Benannt nach der ukrainischen Nationaldichterin Olha Kobyljanska, erlangte das Gebäude mit den großen Portalbögen in der Vergangenheit architektonische Berühmtheit, da es sich um ein nahezu baugleiches Abbild des Stadttheater von Fürth in Bayern handelt. Seit 1980 steht ein Denkmal der namensgebenden Schriftstellerin vor dem Gebäude. Weitere bedeutende Sehenswürdigkeiten von Czernowitz sind die im Jahr 1864 vollendete griechisch-orthodoxe Kathedrale sowie der historische jüdische Friedhof, der zu einem der größten Friedhöfe seiner Art in Europa zählt.
Als Sehenswürdigkeiten hervorzuheben, sind auch die städtischen Museen von Czernowitz, wie das Regionales Staatliches Museum für Volksarchitektur und Brauchtum, das Museum für jüdische Geschichte und Kultur der Bukowina oder das Museum der Militärgeschichte der Bukowina. Bei Einwohnern und Touristen auch sehr beliebt, ist die Einkaufsstraße Wulyzja Olhy Kobyljanskoii (Olha–Kobyljanska–Straße). Die frühere „Herrengasse“ war schon im 19. Jahrhundert die Flaniermeile der Stadt und bewahrt das geschlossene, historische Straßenbild der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis heute.
Stadtgeschichte von Czernowitz
Die Stadt Czernowitz schaut, wie auch die gesamte Ukraine, auf eine bewegte und wechselhafte Geschichte zurück. Historisch betrachtet sind insbesondere die große jüdische Gemeinschaft der Stadt sowie die wechselnde nationalstaatliche Zugehörigkeit zu Rumänien und der Sowjetunion prägend. In der Vergangenheit war Czernowitz die traditionelle Hauptstadt der Bukowina.
Kiewer Rus (Frühzeit)
Die erste urkundliche Erwähnung von Czernowitz als befestigte Siedlung am linken Flussufer des Pruths (im heutigen Stadtteil Lenkiwzi) stammt aus der Zeit der Kiewer Rus bzw. ihres Teilfürstentums Galizien-Wolhynien. Die Siedlung wurde unter dem Rurikiden-Fürst Jaroslaw Osmomysl gegründet, der zwischen 1153 und 1187 regierte. Einer Theorie zufolge wurde die Stadt in ihrer Anfangszeit Tschern (= Schwarze Stadt) genannt.
Später wurde die Siedlung in Tscherniwzi (= die Bewohner von Schern) umbenannt. Unklar ist bis heute, ob der frühe Name der Siedlung auf die schwarze Farbe der Stadtmauern oder auf die in der Region weit verbreiteten und sehr fruchtbaren Böden der Schwarzerde zurückgeht. Nachdem die ersten Siedlungstrukturen auf dem linken Ufer des Flusses entstanden, verlagerte sich der Schwerpunkt der Siedlungstätigkeit nach 1259 auf das rechte Pruth-Ufer. Das rechte Flussufer bot durch die höhere Lage für die Siedler mehr Sicherheit bei Überschwemmungen des Pruth und sorgte gleichzeitig bei kriegerischen Auseinandersetzungen mit Feinden aus dem Umland für eine bessere strategische Position.
Fürstentum Moldau (1359 – 1774)
Nach Ende des Kiewer Rus gehörte die Stadt Czernowitz und ihr Umland von 1359 bis 1774 zum Fürstentum Moldau, welches ab 1512 in Vasallenabhängigkeit zum Osmanischen Reich stand. Aus dieser Zeit stammt auch die erste urkundliche Erwähnung der Stadt als Zollstelle im Jahr 1408. Im 15. Jh. war Czernowitz ein Marktflecken im Umland des wichtigen Handelsplatzes Suceava. Während des Krieges zwischen Stefan cel Mare (Stefan dem Großen) und Polen im Jahr 1497 wurde die Stadt niedergebrannt.
Habsburgermonarchie (1774 – 1914)
Im Jahr 1774 wurde Czernowitz, wie die gesamte Region Bukowina, von Österreich besetzt. Nach Verhandlungen mit dem Osmanischen Reich wurde die Stadt 1775 offizieller Teil der Habsburgermonarchie. Im Jahr 1814 wurde mit der Kreuzerhöhungs-Basilika das erste gemäuerte Gebäude der Stadt errichtet. Die Zahl der Einwohner lag 1816 laut offizieller Dokumentation bei erst 5.400 Einwohner.
Im Jahr 1849 wurde das Herzogtum Bukowina als eigenes Kronland mit der Landeshauptstadt Czernowitz konstituiert und in 1861 der Bukowiner Landtag eingerichtet. In der 1867 gebildeten Doppelmonarchie Österreich-Ungarn gehörte das Land bis 1918 zu den im „Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern“ (Cisleithanien) mit deren gemeinsamer k.k. Regierung in Wien.
Im Jahr 1875 wurde von Kaiser Franz Joseph I. anlässlich der 100-jährigen Zugehörigkeit zu Österreich die Franz-Josephs-Universität Czernowitz gegründet. Die Universität lehrte in deutscher Sprache und umfasste 1893 eine griechisch-orientalische, eine theologische, eine rechts- und staatswissenschaftliche und eine philosophische Fakultät. Neben einer umfangreichen Bibliothek mit 50.000 Bänden, umfasste die Universität auch einen botanischen Garten, ein chemisches Labor und ein naturhistorisches Museum. Im Jahr 1892/93 unterrichteten 40 Lehrer 281 Studierende.
Erster Weltkrieg (1914 – 1918)
Im Ersten Weltkrieg war die Stadt zwischen August 1914 und August 1917 dreimal für insgesamt rund 19 Monate von der russischen Armee besetzt. Die dritte Besatzung dauerte vom 18. Juni 1916 bis zum 3. August 1917.
Rumänien (1918 – 1940)
Nach dem Zerfalll von Österreich-Ungarn 1918 ging die Bukowina im Königreich Rumänien auf. Die Bukowina war Rumänien bereits im Jahr 1916 in einem geheimen Vertrag von der Triple Entente zugesagt worden, um Rumänien zum Kriegseintritt gegen Österreich-Ungarn zu bewegen. Am 10. September 1919 wurde die Übernahme des Landes durch Rumänien im Vertrag von St. Germain sanktioniert.
Sowjetunion (1940 – 1941)
Wie im sogenannten Ribbentrop-Molotow-Pakt zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion am 24. August 1939 vereinbart, wurde die Stadt am 28. Juni 1940 von der Sowjetunion besetzt. Der Großteil der deutschen Bevölkerung wurde aus der Region vertrieben. Etwa 25.000 deutsche Bewohner der Stadt wurden nach Verhandlungen mit Deutschland anschließend „heim ins Reich“ geholt.
Rumänien (1941 – 1944)
Von 1941 bis 1944 gehörte Czernowitz wieder zu Rumänien, das mit dem Deutschen Reich verbündet war. In dieser Zeit kam es zur Ermordung und Deportation eines großen Teils der jüdischen Gemeinde. Im September 1941 betrug die Zahl der Juden in Czernowitz nach deutschen Quellen ca. 45.000 Menschen.
Von August 1941 bis Juni 1942 war Traian Popovici (1892–1946) Bürgermeister von Czernowitz, dessen Einsatz es zu verdanken ist, dass das Leben zahlreicher Juden aus der Stadt gerettet werden konnte. Die israelische Gedenkstätte Yad Vashem ehrte Popovicie postum mit dem Titel Gerechter unter den Völkern. Bis zum Aussetzen der Deportation im November 1941 waren 33.891 Juden aus Czernowitz deportiert worden. Einer Schätzung zufolge lebten damals im Anschluss noch mehr als 21.000 Juden in der Stadt.
Sowjetunion (1944 – 1991)
Im Frühling 1944 nahm die Rote Armee die Stadt erneut ein und installierte die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik. Während dieser Zeit wurden die noch verbliebenen deutschen Bewohner der Stadt vertrieben und die ehemals deutsch-sprachige Kultur verschwand fast vollständig. Auch ein Großteil der rumänisch-sprachigen Bevölkerung verließ Czernowitz. In der darauf folgenden Zeit siedelten sich nun tausende Ukrainer und Russen in der Stadt an.
Ukraine (seit 1991)
Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 und der Unabhängigkeit des Landes gehört die Stadt als Tscherniwzi zur Republik der Ukraine. Am 21. März 2014 entsandte die OSZE im Zusammenhang mit der Annexion der Krim durch Russland Beobachter in die Stadt.
Quellen
https://de.wikipedia.org/wiki/Czernowitz
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?search=czernowitz&title=Special:MediaSearch&go=Go&type=image